Deutsche Presseforschung Bremen

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Frühgeschichte der deutschen Presse

Domäne des Referats ist die frühe deutschsprachige Zeitung.

Unregelmäßig erscheinende, ereignisbezogene Presseerzeugnisse (Flugblätter, Flugschriften) gibt es seit dem Beginn des Drucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ende des 16. Jahrhunderts ist die Entwicklung des handschriftlichen politischen Korrespondenzwesens einerseits, die des Transportwesens (Post) andererseits, so weit fortgeschritten, dass zu einer periodischen politischen Berichterstattung im Medium des Drucks übergegangen werden kann. Seit 1583 erscheinen die ersten Halbjahreschroniken der neuesten politischen Begebenheiten (Meßrelationen). 1597 wird in Rorschach die erste politische Monatschronik gedruckt.

Die periodische politische Zeitungspresse Europas beginnt im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Seit Herbst 1605 stellt der Buchhändler und Drucker Johann Carolus in Straßburg wöchentlich erscheinende Nachrichtenblätter her. Aus dem Jahr 1609 sind Exemplare seiner Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien überliefert. Im gleichen Jahr erscheint in der kleinen Residenzstadt Wolfenbüttel eine weitere Zeitung, der Aviso. Schon um 1620 verfügen Berlin, Danzig, Frankfurt am Main, Hamburg, Hildesheim, Köln, Stuttgart, sowie ein halbes Dutzend weitere Städte über ähnliche Blätter. Sie alle erfüllen wichtige Kriterien einer modernen Zeitung. Es handelt sich um regelmäßig, mindestens einmal wöchentlich erscheinende Druckwerke mit aktueller Berichterstattung grundsätzlich universalen Gehalts, die öffentlich zu einem moderaten Preis vertrieben werden.

Die Unterschiede zu einer modernen Zeitung bleiben bei den Blättern des 17. Jahrhunderts gleichwohl augenfällig: Format und Seitenzahl (4-8) sind weitaus kleiner; nicht alle der frühen Periodika tragen einen Titelkopf. Selten besitzen sie ein „Impressum“, dem Herausgeber und Druckort zu entnehmen sind. Inhaltstypisch ist die unsystematische, nur durch die Angabe von Korrespondenzort und -datum gegliederte Reihung von Nachrichtenblöcken, die redaktionell gewöhnlich nicht bearbeitet sind. Diese Struktur verdanken die frühen Zeitungen ihren unmittelbaren Vorläufern, den periodischen handschriftlichen Korrespondenzen. Diese entstanden im 16. Jahrhundert im Zuge der Entwicklung regelmäßiger Postverbindungen. Während das Abonnement von handschriftlich kopierten „Nachrichtenbriefen“ teuer und darum einem exklusiven Abnehmerkreis vorbehalten war, erhöhte sich durch die typographische Reproduktion die Auflage der Blätter um ein Vielfaches. Die Stückkosten sanken, das zeitunglesende Publikum wuchs. Im Jahrhundert fortwährender europäischer Kriege stieg zugleich das Informationsbedürfnis, damit wiederum die Anzahl der Zeitungen, häufig auch ihre Ausgabefrequenz. Bald erschienen viele Blätter nicht mehr in wöchentlichem Abstand, sondern zwei- oder dreimal pro Woche. Die erste Tageszeitung besaß seit dem Jahr 1650 die Stadt Leipzig. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Versorgung mit Zeitungen im deutschsprachigen Raum flächendeckend geworden. Die Publizität aktuellen politischen Geschehens ist seither institutionalisiert.

Über den gesamten Zeitraum des 17. Jahrhunderts hinweg zählt man im deutschen Sprachraum etwa 200 Zeitungsunternehmen in rund achtzig Druckorten. überliefert ist nur ein Bruchteil des einst Erschienenen. Gleichwohl haben wir heute noch den Zugang zu rund 60000 Zeitungsexemplaren des 17. Jahrhunderts. Sie sind in Bibliotheken und Archiven über ganz Europa verstreut. Ein Microfilmarchiv aller ermittelbaren Originale wurde im Verlauf der letzten 40 Jahre in der Deutschen Presseforschung Bremen aufgebaut. Der gesamte Bestand steht für die wissenschaftliche Benutzung in systematisch geordneter Reproduktion zur Verfügung. Die vielfältige Nutzbarkeit der Sammlung für kultur- und mediengeschichtliche Forschungen liegt auf der Hand. Ein Teil des Bestandes ist durch einen Schlagwortindex erschlossen.

Die Sammlung ist dokumentiert in der Bibliographie „Die deutschen Zeitungen des 17. Jahrhunderts. Ein Bestandsverzeichnis“, hrsg. v. Else Bogel u. Elger Blühm, 2 Bde. 1971, Nachtragsband 1985. Die Neuzugänge seit 1985 – mehr als 2000 bis dahin unbekannte Zeitungsausgaben – werden gegenwärtig mitsamt dem bekannten Bestand in eine Datenbank integriert.

Die frühen Zeitungen der Orte Hamburg, Altona, Wandsbek, Schiffbek, Harburg, Hildesheim – Goslar- Blankenburg – Braunschweig – Clausthal – Goslar – Helmstedt – Hildesheim – Holzminden – Schöningen – Wolfenbüttel finden sich bibliographisch verzeichnet und inhaltlich beschrieben in: Holger Böning (Hrsg.):Deutsche Presse. Biobibliographische Handbücher zur Geschichte der deutschsprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815. Kommmentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender und Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodischer Schriften. Band 1.1, 1.2, 1.3: Holger Böning, Emmy Moepps (Bearb.): Hamburg. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1996 Band 2: Holger Böning, Emmy Moepps (Bearb.): Altona, Bergedorf, Harburg, Schiffbek, Wandsbek. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1997 Band 3.1 und 3.2: Britta Berg, Peter Albrecht (Bearb.): Regionen Braunschweig / Wolfenbüttel – Hildesheim – Goslar- Blankenburg – Braunschweig – Clausthal – Goslar – Helmstedt – Hildesheim – Holzminden – Schöningen – Wolfenbüttel. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2003

Auf der Grundlage dieser einmaligen Sammlung werden empirisch gesicherte Untersuchungen zur kultur- und kommunikationsgeschichtlichen Bedeutung der frühen deutschen Presse durchgeführt und Lehrmeinungen zur älteren Mediengeschichte entwickelt.

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