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Die wissenschaftliche Professionalisierung des Kalenderwesens im 17. Jahrhundert im Kontext der Frühaufklärung

Das von Prof. Dr. Holger Böning gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Manger, Universität Jena, bei der DFG beantragte Projekt wurde bearbeitet von Dr. Klaus-Dieter Herbst

Im 17. Jahrhundert gewonnene naturwissenschaftliche, insbesondere astronomische Erkenntnisse veränderten das Bild von der Welt grundlegend, nicht nur in naturwissenschaftlichem, sondern auch in philosophischem und theologischem Sinn. Diese sich vollziehenden Wandlungen wirkten wesentlich auch in das 18. Jahrhundert hinein durch das Entstehen der Aufklärung. Den Anteil der Kalender des 17. Jahrhunderts an diesem Prozess herauszuarbeiten, ist nach wie vor ein Desiderat der historischen Forschung. Hier wird das zu bearbeitende Projekt eine entscheidende Lücke in der Art schließen, dass die Verschiebung in der Gattungsbedeutung von Kalendern durch das allmähliche Erheben eines wissenschaftlichen Anspruchs bei bestimmten Inhaltssegmenten systematisch analysiert wird.

Zu diesem Zweck sollen erstmals alle im 17. Jahrhundert erschienenen Kalender des mitteldeutschen Raumes, die in den bisherigen Darstellungen zum Kalenderwesen vernachlässigt worden sind, systematisch ermittelt und ausgewertet werden. Das Wissen zum Kalenderwesen wird damit und durch die Einbeziehung von in der Literaturwissenschaft bislang nicht berücksichtigter Kalender und Korrespondenzen von Kalendermachern grundlegend erweitert.

Eine erste Analyse hat gezeigt, dass die Kalender von Gottfried Kirch (1639-1710, Astronom), dessen umfangreiche Korrespondenz erst jetzt im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes bearbeitet wurde und seit Juli 2006 gedruckt vorliegt, und die von Johann Christoph Sturm (1635-1703, Physiker) neben traditionellen Strukturen auch Elemente aufweisen, die Relevanz für die Wissenschaftsgeschichte und die Frühaufklärung besitzen. So gleichen Teile dieser Kalender den Beiträgen in damaligen wissenschaftlichen Zeitschriften. Mit der Veröffentlichung von astronomischen Beobachtungsergebnissen und deren Diskussion in den Kalendern gelangen durch Naturbeobachtung gewonnene verlässliche Daten in die Lebenswirklichkeit.

Damit ist bezüglich der Kalenderinhalte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein als wissenschaftliche Professionalisierung bezeichneter Prozess auszumachen. Die so erreichte neue Form von Zuverlässigkeit mit wissenschaftlichem Anspruch ergibt eine Verschiebung in der Gattungsbedeutung von Kalendern, die unmittelbaren Bezug zu den Gesichtspunkten der Frühaufklärung aufweist. Es soll geprüft werden, inwieweit dieser der gängigen Lehrmeinung (nach der Kalendern erst im 18. Jahrhundert aufklärerische Wirkung zugemessen wird) widersprechende Befund auf Kalender anderer Autoren zutrifft. Durch Berücksichtigung von Quellen aus dem gesamten 17. Jahrhundert sollte der Wandel in den Kalenderinhalten im Verlaufe dieses Jahrhunderts klar erkennbar werden.

Als Ergebnis dieses Projektes wurden unter anderem die Bücher „Verzeichnis der Schreibkalender des 17. Jahrhunderts“ (Jena 2008) und „Die Schreibkalender im Kontext der Frühaufklärung“s (Jena 2010) vorgelegt. Außerdem wurde im Zuge des Kalenderprojekts 2011 eine Tagung in Altenburg/Thür. zum Kalenderwesen der Frühen Neuzeit vom Institut Deutsche Presseforschung organisiert. Die dort gehaltenen Vorträge waren die Grundlage für den Band „Astronomie – Literatur – Volksaufklärung. Der Schreibkalender der Frühen Neuzeit mit seinen Text- und Bildbeigaben“ (Bremen, Jena 2012). Die neuesten Forschungsergebnisse zu den Schreibkalendern sind jetzt zusammengefaßt in der Online-Publikation „Der Schreibkalender – ein fast vergessenes Kommunikationsmittel für Wissenschaft, Bildung und Aufklärung“.

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