Deutsche Presseforschung Bremen

Startseite » Volksaufklärung

Volksaufklärung

Prof. Dr. Holger Böning

Das Forschungsprojekt, das 1982 im damaligen Forschungsschwerpunkt Spätaufklärung der Universität Bremen seine Anfänge hatte, kommt nun mehr als drei Jahrzehnte später mit dem Erscheinen von vier umfangreichen Bänden im renommierten Stuttgart-Bad Canstatter Verlag Frommann-Holzboog zu einem ersten erfolgreichen Ende gekommen. Gefördert von der Thyssen-Stiftung, der Volkswagen-Stiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dokumentieren Holger Böning und Reinhart Siegert (Universität Freiburg) in insgesamt sieben Bänden eines biobibliographischen Handbuch, dass den Gebildeten des 18. und 19. Jahrhunderts das Prinzip allgemeiner und universaler Aufklärung durchaus nicht gleichgültig war. Diese Tatsache verändert unser Bild von der Aufklärung vollständig. In einer breiten Bürgerinitiative, die von den Zeitgenossen als „Volksaufklärung“ bezeichnet wurde, engagierten sich Pfarrer beider Konfessionen, Ärzte, Publizisten und Wirtschaftsbeamte für eine allgemeine Volksbildung. Das Gedankengut der Aufklärung sollte allen Menschen nahegebracht und im Alltag nützlich werden. Mehrere zehntausend Schriften haben Böning und Siegert in die Hand genommen und die wichtigsten davon in ihren Handbüchern nach ihren Inhalten und Erscheinungsdaten beschrieben. Erfasst wurden sowohl Lesestoffe, die sich an das Volk selbst wenden, um zu seiner wirtschaftlichen, moralisch-sittlichen, religiösen und politischen Aufklärung und Unterrichtung beizutragen, als auch gedruckte Texte, in denen Gebildete miteinander über Volksaufklärung kommunizieren. Die vier jetzt erschienenen Bände des Handbuchs betreten völliges Neuland und dokumentieren „eines der vordringlichsten Desiderate der neuen multidisziplinären Aufklärungsforschung“: Ausklang und Nachwirkung der Aufklärungsbewegung im deutschen Sprachraum bis 1850 und darüber hinaus. Er legt 5.000 kommentierte Belege dafür vor, dass die Aufklärung im 19. Jahrhundert keineswegs „überwunden“ oder gar tot war, davon sogar 700 aus der Zeit nach 1860. Auf die zwanzig Jahre, in denen die Volksaufklärung die Volksbildung dominierte, folgte nach dem verheerenden Einbruch durch die Französische Revolution noch ein halbes Jahrhundert, in dem die Volksaufklärung in die Breite wirkte, jetzt meist ohne staatliche Unterstützung und oft gegen massive staatliche und ultramontane Repression. Die Niederschlagung der Revolution von 1848/1849 erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem die Volksaufklärung längst auf dem Weg aus dem Schrifttum in die Köpfe war.

VA-Bände-2